IVT - Institut für Integrative Verhaltenstherapie

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Was ist Integrative KVT?

Die Integrative Kognitive Verhaltenstherapie (IKVT) ist eine Weiterentwicklung der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT). Sie will (wie andere Verfahren der "dritten Welle" der Verhaltenstherapie) die Schwächen des alten KVT-Modells á la Albert Ellis und Aaron Beck überwinden. Die IKVT wird um die Jahrtausendwende durch Stavemann [Literatur: 1, 2 (Literaturangaben am Textende)] formuliert.
Wie bei der KVT geht es darum, systematisch durch angeleitetes Selbstbeobachten eigene krankmachende Kognitionen in Form dysfunktionaler Konzepte zu erkennen, zu prüfen und durch funktionale Alternativen zu ersetzen, um unnötige emotionale Probleme zu lösen. Die wesentlichen Unterschiede zur KVT bestehen in einer Problemorientierten Kognitiven Psychodiagnostik (PKP) (s.u. und [Literatur: 3]) sowie im Differenzieren des betrachteten kognitiven Systems mithilfe des SKR-Modells (s.u.) und im Modell zur Selbstanalyse von Emotionen (SAE-Modell)(s.u. und [Literatur: 4, 5]). Letzteres dient auch dazu, verdeckte (unbewusste) emotionssteuernde Konzepte zu rekonstruieren, um sie einem Überprüfen auf Funktionalität zugänglich zu machen.
Zu den Grundprinzipien, der Geschichte und dem theoretischen Hintergrund der IKVT s. [2].

Ziele der Therapie sind,

  • die dysfunktionalen, schädlichen Konzepte aufzudecken, die für die emotionalen    Probleme der Klient*innen verantwortlich sind,
  • ihre schädlichen emotionalen, sozialen, physiologischen und Verhaltenssymptome zu erkennen und
  • alternative funktionale Sichtweisen zu entwickeln und durch theoretisches, imaginatives und In-vivo-Training zu bahnen.

Dazu gehen IKVT-Therapeut:innen in acht Schritten vor:

Phasen einer ambulanten IKVT [2]

  1. Erstkontakt/Sprechstunde(n): Problem(e) und emotionale Belastung erarbeiten, provisorisch diagnostisch einordnen, Überblick über einen möglichen Therapieablauf geben, Therapiemotivation und Krankheitseinsicht prüfen, organisatorische Fragen klären
  2. Exploration, Anamnese, Diagnose und Therapieplanung: Problem(e) und zugehörige emotionale, kognitive, physiologische/organische und Verhaltenssymptome explorieren, diagnostische Verfahren, Diagnose, Problemgenese, Problem- und Verhaltensanalyse mit aufrecht erhaltenden Bedingungen, Behandlungsziel festlegen, Therapieplan mit Prognose erstellen
  3. Lebensziele analysieren und planen (falls problemrelevant): Vorhandene Lebensziele erarbeiten und auf Realitätsbezug, Funktionalität, logische Konsistenz und Widerspruchsfreiheit prüfen, ggf. neu formulieren bzw. Lebensziele neu aufbauen oder reduzieren lassen
  4. Problemeinsicht, Veränderungsmotivation und reflexive Persönlichkeit aufbauen bzw. stärken (falls problemrelevant): Krankheitsbezogene Informationen vermitteln, z. B. bei psychosomatischen Erkrankungen: Wie funktioniert der Kreislauf? Zusammenhang zwischen seelischen Stress-/hohen Erregungsniveaus und organischen Reaktionen aufzeigen, Zusammenhänge zwischen selbst initiiertem Erregungsanstieg (z. B. durch internen Alarm) und physiologischen Reaktionen (z. B. Herzrasen, Erröten) erklären, dysfunktionale Erklärungen reattribuieren
  5. Das Kognitive Modell zum Entstehen und Steuern von Emotionen vermitteln: Emotionsdefinition vermitteln und das kognitive Modell zum Entstehen und Steuern von Emotionen erarbeiten, das SKR-Modell vermitteln
  6. Bewusste Konzepte und Denkstile erfassen und unbewusste rekonstruieren: Arten dysfunktionaler Konzepte und Denkstile vermitteln, das SKR-Modell zum Rekonstruieren eigener Konzepte und Denkstile anwenden
  7. Identifizierte Konzepte und Denkstile auf Funktionalität prüfen und ggf. neue, funktionale erstellen: Situationsbezogene Ziele erstellen und auf Funktionalität prüfen lassen, Prüftechniken vermitteln, Kognitive Prozesse anhand der erstellten Ziele mithilfe von Disputtechniken und Sokratischen Dialogen auf Funktionalität prüfen, ggf. funktionale Alternativen (Kneu) erstellen, das Modell zur Selbstanalyse von Emotionen (SAE-Modell) einführen und trainieren
  8. Neue Konzepte bahnen: Funktionale Übungen sammeln, Übungsleitern erstellen, Techniken zum Gedankenstopp und Drehbuchschreiben vermitteln, Drehbücher zu den einzelnen Übungen erstellen lassen, Kneu theoretisch mithilfe von SAE-Modellen, in sensu mit Imaginationsübungen und mit In-vivo-Übungen trainieren lassen

Verhalten und Rolle der Therapeut:innen

Die IKVT zählt zu den humanistischen Therapieverfahren. Anstatt „allgemein gültiger Lösungen“ werden in einem gemeinsamen Reflexionsprozess die problemrelevanten Konzepte der Klient:innen herausgearbeitet, auf ihre Konsequenzen hin untersucht und durch die Klient:innen daraufhin bewertet, ob sie diese weiter verfolgen oder durch andere Konzepte ersetzen möchten. In letzterem Fall wird in einem weiteren Reflexionsprozess nach adäquaten Alternativen gesucht, die zum metaphysischen Modell der Klient:innen, ihren individuellen moralischen, religiösen Werten und (Lebens-)Zielen passen und unnötige emotionale Turbulenzen vermeiden.
Kennzeichnend für die IKVT ist die „sokratische Haltung“ der Therapeut:innen: ein Gesprächsstil, der durch eine nicht-wissende, fragende, um Verständnis bemühte, zugewandte, akzeptierende Therapeut:innenhaltung geprägt ist. Ohne dogmatisches Wissen zu vermitteln (ohne neue Wahrheiten zu lehren) wird Hilfestellung beim Finden der individuell „richtigen, wahren“ Lösung geleistet. [6]


Was ist Problemorientierte Kognitive Psychodiagnostik (PKP)?
Die PKP gilt als Weiterentwicklung der kognitiven Diagnosemodelle von Albert Ellis und Aaron Beck. Sie  wird erstmals 2012 durch Stavemann [1, 2] beschrieben.
Kognitive Psychodiagnostik erfasst kognitive Strukturen und Prozesse sowie das kognitive Verarbeiten innerer und äußerer Reize. Sie stellt einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen der Art des kognitiven Verarbeitens und den darauf folgenden emotionalen Reaktionen und Verhaltensweisen her. Das bedeutet, dass zum Erklären Letzterer erlernte kognitive Konzepte und Schemata dienen. „Problemorientiert“ meint, dass hier die kognitiven Ursachen emotionaler Probleme in Form andauernder bewusst oder unbewusst verwendeter Konzepte, Grundprinzipien oder Schemata erhoben werden. Dies steht im Gegensatz zu den früheren Modellen, die typische kognitive Symptome beschreiben, Ellis in Form von „irrational beliefs“, Beck als kognitive Symptome (z. B. Aufmerksamkeitsbindung, Bewusstseinseinengung, selektive Abstraktion, Realitätsverzerrung).


Was ist ein SKR-Modell?
Das SKR-Modell beschreibt das Emotionsmodell der Integrative Kognitive Verhaltenstherapie (IKVT). S steht für „Situation“, K für „Kognitionen“ und R für „Reaktionen.
Die Unterschiede zum ABC-Modell, dem Emotionsmodell der Kognitiven Verhaltenstherapie sensu Ellis bestehen nicht nur in der Diktion. Die Punkte A, B und C des alten Modells werden zwar ersetzt durch S (Situation), K (Kognitionen) und R (Reaktionen), um eine Verwechslung der Modelle zu vermeiden. Die bedeutsamen inhaltlichen Unterschiede sind jedoch:

  • Das A („activating moment“) des alten Modells aktiviert aus Sicht der IKVT nichts, sondern dient ausschließlich als Zeitanker für eine Situationsbeschreibung (S).
  • Das B greift mit der Bezeichnung „Bewertung“ viel zu kurz, denn dort stehen nun vier unterschiedliche kognitive Prozesse (K): (1.) Wahrnehmungen/Konzepte, (2.) Interpretationen/Schlussfolgerungen, (3.) Bewertungen und (4.) Coping-Strategien.
  • Bei C („Consequences“) werden nun unterschiedliche Reaktionen (R) erhoben: emotionale, physiologische und Verhaltensreaktionen.

Das SKR-Modell wurde 2022 von Stavemann formuliert [2, 5] und beschreibt folgenden Zusammenhang: Die emotionale Reaktion in einer Situation resultiert aus einer bewertenden Kognition. Letztere bezieht sich auf die vorangegangenen Interpretationen und Schlussfolgerungen von einer persönlichen Wahrnehmung oder Sichtweise in der Situation. Die Verhaltensreaktion erfolgt aufgrund der momentan gewählten, häufig unbewussten Coping-Strategie.


Was ist ein Modell zur Selbstanalyse von Emotionen (SAE-Modell)?
Das Modell zur Selbstanalyse von Emotionen, das SAE-Modell, beschreibt eines der wichtigsten therapeutischen Strategien und Therapietools für die Integrative Kognitive Verhaltenstherapie (IKVT). Es wurde 1995 von Stavemann formuliert und beschreibt das Vorgehen, wie man eigene emotionssteuernde Konzepte erkennt, wie sie auf Funktionalität zu prüfen sind und wie man ggf. neue, funktionale Konzepte erarbeitet, die zu den zuvor formulierten Zielen führen.
Im ersten Teil der Selbstanalyse werden die problemrelevanten Konzepte mithilfe des SKR-Modells erarbeitet und anschließend situationsbezogene emotionale und Verhaltensziele Z erhoben. (Dadurch wird das SKR-Modell zum SKRZ-Modell erweitert.) Im zweiten Teil werden S, K, R und Z mithilfe der Disputtechniken auf Angemessenheit / Funktionalität geprüft. Werden Teile davon für schädlich gehalten, werden in einem anschließenden Suchprozess neue funktionale Alternativen (Kneu) gesucht.
Nach dem Einführen in das SAE-Modells üben Klient:innen damit eigenständig, ihre Denkmuster, Gefühle und Verhaltensweisen zu erkennen bzw. zu rekonstruieren und in einer Situation S zu beschreiben, um sie danach selbst auf Angemessenheit zu prüfen und ggf. so zu modifizieren, dass sie mit einem neu erarbeiteten Konzept zu ihren formulierten emotionalen und Verhaltenszielen gelangen.

Literatur
[1] Stavemann, H. H. (Hrsg.) (2012). KVT update. Neue Entwicklungen und Behandlungsansätze in der Kognitiven Verhaltenstherapie. Weinheim: Beltz.
[2] Stavemann, H. H. (2023). Integrative KVT (6. Aufl.). Weinheim: Beltz.
[3] Stavemann, H. H. (2022). Konzept der Problemorientierten Kognitiven Psychodiagnostik (PKP). In H. H. Stavemann & Y. Hülsner, Der Blick hinter das Symptom (2. Aufl.). Tübingen: dgvt-Verlag.
[4] Stavemann, H. H. (2002). Zur Rekonstruktion von Bewertungssystemen: Die nützliche Dreieinigkeit kognitiver Prozesse. Zeitschrift für Rational-emotive und Kognitive Verhaltenstherapie, 13 (1), 53–68.
[5] Stavemann, H.H. (2022). Das Emotionskonzept der Integrativen KVT: Vom ABC- zum SKR-Modell. 695. Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis, 54. Jg. (4), 695–704
[6] Stavemann, H. H. (2015). Sokratische Gesprächsführung in Therapie und Beratung (3. Aufl.). Weinheim: Beltz.
Weblinks
https://www.i-v-t.de/VortraegeArtikel/ (Das Emotionskonzept der Integrativen KVT: Vom ABC- zum SKR-Modell)

 

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